14. August 2015

Neue Regeln zum Erben und Vererben in Europa – Was sich bei grenzüberschreitenden Erbfällen ab dem 17. August 2015 alles ändert

Koblenz (ots) – Für Erbfälle ab dem 17. August 2015 gilt die
EU-Erbrechtsverordnung. Die gravierenden Änderungen können bei
grenzüberschreitenden Erbfällen zu unangenehmen Überraschungen
führen. Probleme drohen insbesondere bei dem in Mustern aus dem
Internet verbreiteten sog. Berliner Testament. Worauf hier lebende
Ausländer, sowie Deutsche, die ihren Lebensmittelpunkt ins Ausland
verlagert haben, bei der neuen Erbrechtsverordnung achten sollten,
lesen Sie hier.

Nach bisheriger Rechtslage entstehen in Erbfällen mit
Auslandsbezug häufig unklare und komplizierte Verhältnisse. Denn
durch die uneinheitlichen Regelungen der verschiedenen Staaten finden
vielfach sogar gleich mehrere Erbrechtsordnungen nebeneinander
Anwendung, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Während die
deutsche Rechtsordnung auf die Staatsangehörigkeit abstellt und der
Nachlass einheitlich vererbt wird, differenziert beispielsweise die
französische Rechtsordnung nach beweglichen und unbeweglichen Sachen.
Für das Ferienhaus eines Koblenzers im Burgund fand mithin
französisches Recht Anwendung; seine Eigentumswohnung in der
südlichen Vorstadt wurde indes nach deutschem Recht behandelt.

Diese unbefriedigende Situation soll angesichts zunehmender
länderübergreifender Erbfälle in der EU durch die Erbrechtsverordnung
verbessert werden. So ist künftig weder die Staatsangehörigkeit des
Erblassers noch die Belegenheit einer Immobilie aus Sicht der
europäischen Rechtsordnungen entscheidend. Vielmehr richtet sich das
auf den Erbfall anzuwendende nationale Erbrecht nunmehr nach dem
letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Nach diesem im
Aufenthaltsstaat geltenden Erbrecht wird dann das gesamte Vermögen
des Erblassers einheitlich vererbt. Die europäische Verordnung, die
nur für Dänemark, das Vereinigte Königreich und Irland nicht gilt,
muss von den deutschen Gerichten auf jeden Erbfall angewandt werden,
der ab dem 17. August 2015 eintritt.

„Die neuen Regeln betreffen beispielsweise unsere
Mallorca-Rentner“, erläutert Dr. Breßler, Geschäftsführer der
Notarkammer Koblenz. „Während für sie bisher deutsches Erbrecht galt,
werden einige nun nach spanischem Recht vererben.“ Dies führt oftmals
zu nicht gewollten Ergebnissen, sehen doch zahlreiche ausländische
Rechtsordnungen eine andere Erbfolge und andere Erbquoten vor. Auch
kennen ausländische Rechtsordnungen andere Pflichtteils- bzw.
Noterbrechte. Sehr unterschiedlich ist beispielsweise auch die
Vermögensbeteiligung des überlebenden Ehegatten ausgestaltet.
„Insbesondere besteht die Gefahr, dass die im Internet und
Anleitungsbüchern häufig zu findenden sog. Berliner Testamente, bei
denen sich die Ehegatten mit Bindungswirkung gegenseitig und sodann
ihre Kinder einsetzen, im Ausland nicht berücksichtigt werden. Das
kann dann im Erbfall ein böses Erwachen geben“, warnt Dr. Breßler.

„Auch was unter dem Ausdruck „gewöhnlicher Aufenthalt“, auf den es
nun ankommt, zu verstehen ist, wird die Gerichte noch vielfach
beschäftigen“, erwartet Dr. Breßler. Einige geplante Wochen oder
Monate im Ausland werden nach seiner Auffassung nicht ausreichen. Für
die Kölner Schülerin im Auslandsjahr in Frankreich oder den
spanischen Arzt im praktischen Jahr am Hamburger
Universitätskli-nikum wird sich daher wahrscheinlich nichts ändern.
Was ist aber mit dem Münchner Rentner, der seit fünf Jahren in einem
Pflegeheim in Tschechien betreut wird? Und welches Erbrecht findet
auf den belgischen Banker Anwendung, der mit seiner deutschen Frau in
Trier wohnt und in Luxemburg zur Arbeit geht? „Oftmals werden bei der
anzustellenden Gesamtschau Nuancen entscheiden“, meint der Experte.

Um böse Überraschungen zu vermeiden, räumt die Verordnung die
Möglichkeit ein, eine Rechtswahl entsprechend der Staatsangehörigkeit
vorzunehmen. Die Rechtswahl muss in Form einer Verfügung von Todes
wegen erfolgen. Mit einer solchen Rechtswahl sollte jeder Klarheit
schaffen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland nimmt. Auch
viele in Deutschland dauerhaft lebende Ausländer werden mittels eines
Testaments aktiv werden müssen, wenn sie sicherstellen wollen, dass
das Erbrecht ihres Heimatlands auch weiterhin für sie gelten soll.

Dr. Breßler begrüßt die EU-Erbrechtsverordnung: „Das neue Recht
ermöglicht eine zuverlässige und rechtsichere Nachlassplanung“. Er
hebt insbesondere auch das neue europäische Nachlasszeugnis hervor.
Damit können Erben ihre Rechtstellung bei grenzüberschreitenden
Erbfällen nachweisen. Künftig entfällt somit die mehrfache
Beantragung von Erbscheinen in allen Ländern, in denen der Erblasser
Vermögen hinterlassen hat.

Pressekontakt:
Dr. Steffen Breßler, LL.M. (University of Pennsylvania)
Geschäftsführer der Notarkammer Koblenz
Hohenzollernstraße 18
56068 Koblenz
Tel.: ++261-91588-0
Fax: ++261-91588-20
www.notarkammer-koblenz.de
www.notare.rlp.de

Original-Content von: Hamburgische Notarkammer, übermittelt durch news aktuell