2. Juni 2015

Erben im 21. Jahrhundert – Nachlassplanung in Patchwork-Familien

Hamburg (ots) – Nicht selten wird aus dem Erbfall ein Streitfall.
Denn leider ist ein gemeinsames Erbe einer der Hauptgründe, wenn
Familien sich entzweien. Einzelne Erben fühlen sich benachteiligt und
streiten über den „wirklichen, wahren“ Willen des Erblassers.
Vielfach hat der Verstorbene überhaupt kein Testament hinterlassen.
Dann gilt die gesetzliche Erbfolge. Doch dieser „Anzug von der
Stange“ führt nur in den wenigsten Fällen zu einer Lösung, die allen
Interessen gerecht wird. Zudem ist das Ergebnis zumeist vom Erblasser
so nicht gewollt. Das gilt insbesondere für Patchwork-Familien.

Wenn eine Person stirbt, hinterlässt sie zumindest einen Erben,
gegebenenfalls aber auch mehrere Erben, die so genannte
Erbengemeinschaft. Den oder die Erben kann der Erblasser durch
Testament oder Erbvertrag bestimmen. Trifft der Erblasser aber keine
Entscheidung, greift die vom Gesetzgeber vorgesehene Regelung. Diese
„gesetzliche Erbfolge“ ist als eine grundlegende rechtliche
Absicherung für den Fall eines fehlenden Testaments gedacht.

„Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass die gesetzliche Erbfolge
sich nach dem vermuteten Willen des Erblassers richtet, ohne dass
dieser zu Papier gebracht sein müsste,“ erklärt Bernd von Schwander,
Geschäftsführer der Hamburgischen Notarkammer.

Die gesetzliche Erbfolge deutet den Willen des Erblassers
grundsätzlich so, dass dieser sein Vermögen in der Familie halten und
auch seinen Ehegatten bedenken wollte. Dementsprechend erben
vorrangig die Kinder bzw. – wenn diese bereits verstorben sind – die
Enkel des Verstorbenen. Hat der Erblasser keine Nachkommen, erben die
Eltern der Erblassers. Sind auch diese bereits verstorben, treten die
Geschwister an die Stelle der Eltern. Neben diesen familiären Erben
tritt bei verheirateten Erblassern noch das Erbrecht des überlebenden
Ehegatten. Die gesetzliche Erbfolge hat somit traditionelle
Familienkonstellationen im Blick.

„Dass auch der nichteheliche Partner, mit dem man seit Jahren wie
in einer Ehe zusammenlebt, automatisch im Erbfall berücksichtigt
wird, nehmen Viele bedauerlicherweise zu Unrecht an. Gerade dies
führt dann zu erheblichen Konflikten im Erbfall“, so Bernd von
Schwander. Denn nach der gesetzlichen Erbfolge bilden nur der
Ehegatte und die Verwandten eine Erbengemeinschaft. Lebenspartner
sind dann oft Außen vor. Aber auch in einer Erbengemeinschaft steckt
viel Konfliktpotential. „Für die Erbengemeinschaft hat der
Gesetzgeber das Einstimmigkeitsprinzip vorgesehen. Und genau das ist
regelmäßig ein Quell von Streitigkeiten.“ weiß der Geschäftsführer
der Notarkammer zu berichten. Der überlebende Ehegatte wird im
Übrigen nur dann Alleinerbe, wenn er testamentarisch oder durch einen
Erbvertrag als Alleinverbe des Erblassers eingesetzt wurde. Ansonsten
kommt es zur Entstehung der gesetzlichen Erbengemeinschaft.

In Patchwork-Familien ist das Konfliktpotential ungleich höher.
Verschiedenen Familienstämmen, die sozial miteinander verbunden sind,
jahrelange oft sogar jahrzehntelange Gemeinschaften gebildet haben,
fehlt der rechtliche Zusammenhalt. „Kinder aus erster Ehe können je
nach dem Zeitpunkt des Versterbens eines Ehegatten nach der
gesetzlichen Erbfolge in der neuen Familie erheblich benachteiligt
bzw. begünstigt werden, ohne dass dies gewollt oder überhaupt in
Erwägung gezogen worden war“ warnt von Schwander. Ein Beispiel aus
der Praxis verdeutlicht die Gefahr: Bringen zwei Ehegatten -ohne
einen Ehevertrag errichtet zu haben- jeweils zwei Kinder aus ihren
ersten Ehe in die neue Familie ein und verstirbt der erste Ehegatte,
so erben im Wege der gesetzlichen Erbfolge der neue Ehegatte zur
Hälfte und die „eigenen“ beiden Kinder nur jeweils ein Viertel.
Konkret kann das bedeuten: Hatte der erste Ehegatte 50.000 EUR zu
vererben, so gehen 25.000 EUR auf den überlebenden Ehegatten über und
jeweils 12.500 EUR auf die beiden eigenen Kinder. Verstirbt nun auch
noch der überlebende Ehegatte, so gehen diese vom ersten Ehegatten
ererbten 25.000 EUR nach der gesetzlichen Erbfolge ausschließlich auf
die beiden eigenen Kinder des überlebenden Ehegatten je zur Hälfte
über. „Wäre der zweite Ehegatte zuerst verstorben, wären die Kinder
des ersten Ehegatten dementsprechend durch das Vermögen des zweiten
Ehegatten begünstigt worden. Diese rein zeitliche Zufälligkeit als
entscheidenden Grund für die Verteilung des Nachlasses anzuerkennen,
fällt vielen Erben in der Praxis erfahrungsgemäß sehr schwer. Dies
führt oft zu Konflikten, da die benachteiligten Stiefgeschwister mehr
für sich selbst erreichen wollen“, erläutert Bernd von Schwander.

Da das deutsche Recht Pflichtteilsansprüche für bestimmte
Verwandte und den Ehegatten des Erblassers kennt, können auch dann
Schwierigkeiten auftreten, wenn der überlebende Ehegatte zum
alleinigen Erben eingesetzt wird. „Auch die alleinige Erbeinsetzung
des überlebenden Ehegatten verhindert die Entstehung der
Pflichtteilsansprüche der Kinder aus erster Ehe des Erblassers nicht“
erklärt von Schwander. „In solchen Fällen kann es zur Vermeidung
einer übermäßigen Belastung des überlebenden Ehegatten mit
Pflichtteilsansprüchen angebracht sein,
Pflichtteilsverzichtserklärungen mit den jeweils Berechtigten
abzuschließen.“ gibt von Schwander zu Bedenken. Sonst kann gerade der
Fall eintreten, der vermieden werden sollte. Der überlebende Ehegatte
wurde zwar Alleinerbe und somit Alleineigentümer des Familienheims
nach dem Erblasser, dieses Familienheim ist der überlebende Ehegatte
aber gezwungen zu verkaufen, um die Pflichtteilsansprüche zu
erfüllen. „Auch für Ehepartner vor der Scheidung kann ein solcher
Pflichtteilsverzichtsvertrag ratsam sein.

Pflichtteilsverzichtsverträge sind im Übrigen nur wirksam, wenn
sie notariell beurkundet worden sind.“ ergänzt der Fachmann. Zwar
haben rechtskräftig geschiedene Ehepartner keine wechselseitigen
gesetzlichen Erbrechte oder Pflichtteilsrechte, doch bestehen diese
Rechte auch während eines Scheidungsverfahrens solange fort.
Letztlich werden nach der Scheidung die Testamente, die während der
Ehe errichtetet wurden, ungültig. Auch die während der Ehe geplanten
Erbregelungen insbesondere mit Blick auf die eigenen Kinder sind
hinfällig. In dem Fall kann sich der eigentlich gerade unter den
eigenen Kindern zu vermeidende Streit ungewollt entzünden.

Das Fazit des Fachmanns ist eindeutig: „Es ist dringend ratsam,
die jeweilige Ehe- und Familiensituation zu erörtern und zu prüfen,
welche Erbfolgen bei bestimmten Todeszeitpunkten eintreten. Denn der
„Anzug von der Stange“ in Gestalt der gesetzlichen Erbfolge wird dem
individuellen Fall nicht gerecht.“ Auch von Testamenten in Gestalt
von Mustertexten aus Internet oder aus Erbrechtsratgebern rät der
Fachmann dringend ab. Die besten Ansprechpartner für alle Fragen zum
Thema Erben sind die Notarinnen und Notare. Diese beurkunden nicht
nur Testamente und Erbverträge, sondern beraten eingehend über die
individuellen Möglichkeiten. Gut zu wissen ist, dass in den Kosten
der Beurkundung die Beratungsleistung und der Entwurf des Testaments
enthalten sind.

Pressekontakt:
Herrn Notar Uerlings, Pressesprecher der Rheinischen Notarkammer,
Tel: 0221 / 2 57 52 91
Frau Anja Schaller von der Landesnotarkammer Bayern,
Tel: 089 / 55 166-0
Herrn Bernd von Schwander von der Hamburgischen Notarkammer,
Tel: 040 / 34 49 87
Frau Anna Fessler von der Notarkammer Baden-Württemberg,
Tel: 0711 / 29 19 34
Herrn Dr. Steffen Breßler von der Notarkammer Koblenz,
Tel: 0261 / 9 15 88-0
Frau Lisa Schumacher von der Notarkammer Pfalz,
Tel: 07274 / 94 98 – 317
Herrn Domink Hüren von der Bundesnotarkammer, Tel: 030-38 38 66-0

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