27. Dezember 2016

Das Berliner Testament – Vorsicht vor der Bindungsfalle

Stuttgart (ots) – Wenn Ehepaare eigenhändig ein Testament
errichten, ist das sogenannte Berliner Testament ein echter
Klassiker: Die Ehegatten setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein
und ihre Kinder als Erben des Längstlebenden. Weitere Regelungen
enthalten diese Testamente häufig nicht. Doch es ist Vorsicht
geboten: Wenn nach dem Tod eines Ehegatten der überlebende Ehegatte
ein neues Testament errichtet und andere Personen als Erben benennt,
kann es im Erbfall zum Streit darüber kommen, ob er dazu berechtigt
war. „Es könnte nämlich sein, dass der überlebende Ehegatte in die
Bindungsfalle getappt ist“, warnt Dr. Carsten Walter, Geschäftsführer
der Notarkammer Baden-Württemberg.

Es ist nur ein Fall unter vielen: Nach dem Tod eines verwitweten
Erblassers taucht neben einem älteren Berliner Testament, dass der
Erblasser mit seinem vorverstorbenen Ehegatten errichtet hatte, ein
Einzeltestament jüngeren Datums auf. Dieses neue Testament sieht nun
eine vom gemeinschaftlichen Testament abweichende Erbfolge vor und
beruft beispielsweise auch den neuen Ehegatten oder die Kinder aus
zweiter Ehe zu Erben. Dann stellt sich die Frage, ob die in dem
Einzeltestament getroffenen Verfügungen wirksam sind.

„In derartigen Fällen haben die in dem jüngeren Testament
benannten Erben in der Regel das Nachsehen und gehen leer aus“, weiß
Dr. Walter. Zwar gilt im deutschen Erbrecht der Grundsatz der
Testierfreiheit, d.h. der Erblasser kann grundsätzlich frei über die
Verteilung seines Nachlasses entscheiden. Die Testierfreiheit findet
aber dort ihre Grenzen, wo sich der Einzelne – etwa in einem
gemeinschaftlichen Testament, möglicherweise sogar ohne dass ihm dies
bewusst ist – bereits wirksam gebunden hat. Dann ist der Erblasser
unter Umständen daran gehindert, zu einem späteren Zeitpunkt eine den
geänderten Lebensverhältnissen entsprechende Regelung seines
Nachlasses zu treffen.

Angesprochen ist damit die Bindungswirkung wechselbezüglicher
Verfügungen. Das sind all jene Verfügungen in einem
gemeinschaftlichen Testament, von denen anzunehmen ist, dass die
Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen
Ehegatten getroffen sein würde (bspw. die gegenseitige
Erbeneinsetzung der Ehegatten; regelmäßig auch die Einsetzung der
gemeinsamen Kinder zu Schlusserben). Die gegenseitige Bindung muss
nicht ausdrücklich im Testament angeordnet werden, sondern kann auch
eintreten, wenn die Erblasser nur stillschweigend von einer solchen
ausgegangen sind. Im ungünstigsten Fall wird durch das
Nachlassgericht im Wege der Auslegung eine Bindungswirkung
angenommen, obwohl die Beteiligten bei Errichtung des Testaments eine
gegenseitige Bindung gar nicht beabsichtigt hatten.

„Wechselbezügliche Verfügungen können zu Lebzeiten der Ehegatten
einseitig nur durch notariell beurkundete Erklärung widerrufen
werden“, erläutert Dr. Walter. „Mit dem Tod eines Ehegatten ist der
andere Ehegatte daran gehindert, wechselbezügliche Verfügungen zu
widerrufen oder abweichend hiervon letztwillig neu zu verfügen. Man
spricht deshalb auch von der Bindungsfalle des Berliner Testaments.“
Ist der überlebende Ehegatte in dem gemeinschaftlichen Testament
nicht zu einer anderweitigen Verfügung ermächtigt worden, erlangt er
seine Testierfreiheit nur dann zurück, wenn er das ihm Zugewendete
ausschlägt.

„Bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments sollte man
sich deshalb unbedingt fachkundig beraten lassen“, empfiehlt Dr.
Walter. Jeder Notar wird zunächst die individuellen Bedürfnisse und
Wünsche klären, auf unbeabsichtigte Folgen hinweisen und
gegebenenfalls über alternative Gestaltungsoptionen wie den
Erbvertrag informieren. In einem Erbvertrag kann beispielsweise in
weitem Umfang auch eine spätere einseitige Änderung der Verfügungen
vorgesehen werden, sofern eine Bindungswirkung gerade nicht gewünscht
wird. Darüber hinaus erlaubt der Erbvertrag die Verbindung mit
anderen vertraglichen Regelungen (z.B. Ehevertrag, Unterhalt,
Verpflegung des Erblassers). Er ist damit ein äußerst flexibles und
individuelles Instrument, mit dem die Erbfolge optimal an die Wünsche
der Erblasser angepasst werden kann.

Pressekontakt:
Herr Dr. Carsten Walter
Geschäftsführer der Notarkammer Baden-Württemberg
Friedrichstraße 9a
70174 Stuttgart
Telefon: 0711/291934
Telefax: 0711/8703180

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